Aus dem Scheuneninneren ist ein 10 Meter hoher Wohnraum mit Treppe zu den oberen, geschlossenen Räumen geworden. |
Der Dachboden der Scheune vor dem Umbau: Hier wurde Heu eingelagert. |
Vorher: Die alte Scheune am Ortsrand des Westerwaldortes Kleinrachdorf mit unverbaubarer Fernsicht. |
Nachher: Rein äußerlich hat sich bis auf zusätzliche Fenster und ein neuer Anstrich nicht viel verändert. |
Man braucht schon ziemlich viel Phantasie, um sich eine alte, karge
Dorfscheune als komfortables Wohnhaus vorzustellen. Ein Paar aus Wuppertal hatte
sie. Es suchte für sich und seine französischen Jagdhunde fern der
Stadt Raum für Ruhe, Konzentration und viel persönliche Freiheit. Über
eine Zeitungsanzeige wurde das Paar in Freirachdorf/Westerwald fündig.
Wir
öffneten das Scheunentor und standen in einem riesigen dunklen Raum",
so die jungen Leute. Kaufanreiz für die Scheune war letztendlich die
landschaftlich schöne Dorfrandlage, der unverbaute Fernblick auf den
Westerwald. Christoph V. Wissmann aus Wuppertal, befreundeter Architekt der
Bauherrn, und der Dierdorfer Architekt Hans H. Heydorn, planten einen
schlichten, die Substanz erhaltenden Ausbau. Sie machten die Scheune mit wenigen
Elementen bewohnbar. Nicht protzig, sondern wohnlich, nicht perfekt gestylt,
sondern mit liebenswürdigen Gebrauchsspuren patiniert.
Der Bau wurde nicht nur genehmigt, sondern im Rahmen des
Dorferneuerungsprogramms von der Kreisverwaltung Montabaur gefördert. Es
ist unser Anliegen, leerstehende Bausubstanz der Nutzung zuzuführen, wobei
charakteristische Merkmale gewahrt bleiben sollen", so Nortrud
Schrammel-Schäl von der Kreisverwaltung Montabaur.
Erfreulicherweise
deckte sich der Wunsch der Bauherrn mit den Vorstellungen des
Dorferneuerungsprogramms. Der Scheunencharakter und die Umrisse des Gebäudes
blieben erhalten. Bruchsteinmauerwerk und Fachwerkgiebel erzählen heute von
der landwirtschaftlichen Vergangenheit.
Die alte Toreinfahrt wird durch eine Wandscheibe aus Gasbeton und schmale
Lichtschneisen ersetzt. Im Innern befindet sich die zentrale Wohnhalle. Die
Landschaft ist hier Wohnpartner. Durch die plastische Fensterfront in der Rückwand
des Hauses zieht Natur ein: Sonne, Mondschein, Herbstwald, wechselnder Rhythmus
von Tag und Nacht. Wir empfinden die Landschaft als ein Geschenk", so
die Bewohner. Tischlermeister Alfred Gottschalk aus Kleinmaischeid hat das 60 cm
tiefe und in der Größe an ein Scheunentor erinnernde Fensterelement
eingefügt. Anstelle der ursprünglichen Stallfenster hat er moderne
Holzfenster maßgenau in die vorgegebenen Bims- und Bruchsteinöffnungen
eingepaßt. Das alte sichtbare Mauerwerk durfte nicht beschädigt
werden, das heißt, alle Unebenheit und Mauerversätze mußten an
den Holzrahmen angepaßt werden. Das erfordert doppelten Arbeitsaufwand
gegenüber einem Neubau. Eine nicht alltägliche Arbeit", erinnert
sich Gottschalk, der sich mit seinen vier Mitarbeitern auf den Innenausbau
spezialisiert hat. Der Wohnraum ist sparsam möbliert. Ein großer
Holztisch, passende Sitzgelegenheiten, alles moderne Klassiker. Dazu das Raumgefühl.
Die Proportionen von zehn mal vier Metern und eine Höhe von zehn Metern.
Der wohldurchdachte Einsatz von materialfarbenen Einbauten, wie einer
Industrietreppe aus Aluminium, ermöglicht offenes Wohnen auf drei Ebenen.
Im Giebel, Arbeitszimmer des Hausherrn, sorgen ins Mauerwerk eingelassene Öffnungen
mit Glassteinen für weich gefiltertes Licht.
Maurermeister Klaus Ehl
vom Bauunternehmen Josef Ehl aus Großmaischeid hat die neuen Fenster- und
Türöffnungen aus dem Mauerwerk herausgeschnitten bzw. -gebrochen. Die
Arbeit mit dem Bruchstein ist eine alte Handwerkstechnik", so Ehl. Er erklärt,
daß die Ecken der entstandenen Öffnungen für Türen und
Fenster nach dem Herausbrechen mit dem anfallenden Material wieder aufgemauert
und mit waagerechten Bögen überdeckt werden mußten.
Raffinierte
und extravagante Bauelemente müssen nicht teuer sein. Bestes Beispiel: Der
Fußboden - Verpackungssperrholz in Schälfurnier - wurde in Platten
geliefert, mit Parkettkleber geklebt und geölt. Das Ergebnis: Ein
individueller Fußboden mit eigenem Reiz ist entstanden.
Schlossermeister Bernd Meyenburg aus Dierdorf hat vier Schiebetüren aus
Zinkblech mit innenliegendem Stahlrahmen eingebaut. Die Schwierigkeit
bestand darin, die Laufschienen an der alten gewölbten Bimsdecke
anzubringen. Das trifft auch auf die Eingangstür zu. Eine Mehrzwecktür
wurde auf einen Holzrahmen geschraubt, dieser wiederum auf das Mauerwerk
gesetzt. Derartige Arbeiten kommen im Schlosserleben vielleicht ein- bis zweimal
vor", erinnert sich Bernd Meyenburg.
Das Besondere an der Umnutzung? Es
ist die moderne Architektur, die erst auf den zweiten Blick sichtbar wird. So
erklärt es sich, daß vorbeifahrende Autofahrer oft eine Vollbremsung
hinlegen und zurücksetzen. Der Materialmix, die weiße Gasbetonwand im
Bruchsteingemäuer, die langgezogenen Lichtschächte im Giebel sorgt für
Kontraste und schafft ein lebendiges Umfeld.