Handwerk Special 63 vom 02.09.1998


Meister im Handwerk, Meister im Parlament

Bäckermeister Hans-Artur Bauckhage, Fraktionsvorsitzender der Landes-FDP

In den Parlamenten von Land und Bund sind Handwerksmeister in der Minderheit. Dabei können gerade sie aufgrund ihres reichen Erfahrungsschatzes Meister politischer Arbeit sein. Handwerk SPECIAL hat bereits in den vorangegeangenen Ausgaben Handwerksmeister vorgestellt, die sich in unterschiedlichen demokratischen Parteien politisch engagieren.

Hans-Artur Bauckhage, rheinland-pfälzischer Fraktionsvorsitzenden der FDP, findet fern vom heißen Bundestagswahlkampf Zeit für ein ungezwungenes Gespräch. Es findet an einem schattigem Platz in lockerer Atmosphäre statt. Angesprochen auf seine Gewichtsreduzierung von satten 14 Kilo, beteuert er, daß er seinem Grünen Kollegen Joschka Fischer nicht nacheifert und auch keinen Marathonlauf geplant hat, sich aber so wohler fühle. Weil er den leiblichen Freuden gegenüber durchaus aufgeschlossen ist, läßt er sich zu einem Stück Kuchen verführen. „Locker, fruchtig und frisch", so der Kommentar vom Fachmann. Hans-Artur Bauckhage ist Bäckermeister. Nach dem Tod seiner Mutter stand für ihn fest, die Berufstradition der Familie, schon Großvater und Vater waren Bäcker, fortzusetzen. 1964 beendete er die Bäckerlehre und legte 1978 die Meisterprüfung ab. Seitdem ist er selbständig. Seinen Betrieb in Daaden hat er erst 1997 verkauft. Da war er schon Fraktionsvorsitzender in Mainz.

Hans-Artur Bauckhage
Hier probiert der Fachmann: Hans-Artur Bauckhage, FDP-Fraktionsvorsitzender, ist gelernter Bäckermeister.
Hans-Artur Bauckhage
„Jungen Menschen empfehle ich, sich unbedingt in einer demokratischen Partei zu engagieren und somit die politische Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen".
Hans-Artur Bauckhage

„Handwerker müssen sich in die Politik einmischen. Sie sind Leute mit Lebenserfahrung und praktischem Bezug. Vielen politischen Akteuren fehlt die Verbindung zur täglichen Wirklichkeit. Unsere Parlamente in Land und Bund sind zu stark verbeamtet", meint Bauckhage.

„Ich bin nach wie vor fasziniert vom Liberalismus, von dieser persönlichen Freiheit mit gleichzeitiger Verantwortung, von den breiten individuellen Entfaltungsmöglichkeiten in der Partei", sagt er über seine Entscheidung, 1967 in die FDP einzutreten. „Die großen Parteien waren mir zur damaligen Zeit zu statisch, die Verantwortung des Einzelnen kam mir zu kurz", fügt er hinzu. Seit 1969 widmete er sich als Fraktionsvorsitzender im Verbandsgemeinderat Daaden und im Kreistag mit Vollblut der Kommunalpolitik. „Kommunalpolitik und Selbständigkeit lassen sich sehr gut miteinander verknüpfen", betont er. „Wenn man rationell mit der Zeit umgeht, läßt sich auch Landtagsmandat und Betriebsführung verzahnen" ergänzt der Handwerksmeister.

Nachdem die FDP 1983 nicht in den Landtag kam, zögerte er nicht, sich 1987 für einen Neuanfang seiner Partei in Rheinland-Pfalz einzusetzen und sich als Kanditat aufstellen zu lassen. Er räumt ein, daß die FDP mit ihm, einem bürgernahen Menschen, dem handfesten Handwerker und seinen guten Kommunalwahlergebnissen, ein wenig „wuchern" wollte. Jahrelang praktizierte er nach seiner Wahl die Doppelbelastung in Beruf und Mandat. Während dieser Zeit hat er seinen Betrieb sogar erweitert. „Alles ist möglich, wenn es ökonomisch gehandelt wird", erklärt er. Er verschweigt nicht, daß er ein Verfechter von Teilzeit-Parlamenten im Landtag ist. „Wenn sich die parlamentarische Arbeit beschränken läßt, finden mehr Praktiker Zugang in die Landespolitik.

„Politikprofi ist meine eigentliche Sache nicht", sagt er. So sei er immer wieder froh gewesen über seine mentale und wirtschaftliche Unabhängigkeit von der Politik.

Seit er 1991 den stellvertretenden Fraktionsvorsitz übernommen habe, erzählt Bauckhage, „sei es allerdings immer schwieriger geworden in Landtag und Backstube gleichermaßen präsent zu sein." Landespolitik ist zeitaufwendiger als Kommunalpolitik. Ihn habe aber letztendlich auch das „Drehen an der Schraube der Macht gereizt - ein Stück Befriedigung", räumt er ein.

Obwohl er seit 1996 als Fraktionsvorsitzender einen Fulltimejob hat, lebt der Bäckermeister in ihm weiter. „Mein Großvater gründete die Bäckerei 1900 - da gibt es Erinnerungen und Gewohnheiten, die man nicht ablegen kann."

Seine Mitarbeiter wissen, als gewohnter Frühaufsteher betritt Bauckhage morgens bereits um acht Uhr sein Mainzer Büro. Schwerpunkte seiner Arbeit für die nächsten Jahre sieht er in der Fortsetzung von Deregulierung und Privatisierung öffentlicher Leistungen und Beteiligungen, insbesondere der Umsetzung des Privatisierungsgebotes der novellierten Gemeindeordnung sowie einer effizenteren Bewirtschaftung der Landesliegenschaften. Größere Effizienz soll auch in der Haushaltspolitik erreicht werden durch die Entwicklung neuer haushaltsrechtlicher Instrumente. Wichtigstes Anliegen ist für Bauckhage, vernünftige Rahmenbedingungen für Handwerk und Mittelstand zu schaffen. Dabei wird die Stärkung des erfolgreichen dualen Ausbildungssystems, insbesondere der Erhalt von Berufsschulklassen im ländlichen Raum, ein zentrales Thema sein. Sein klares Bekenntnis zum Großen Meisterbrief wird deutlich.

Bauckhage wünscht, daß die Menschen bereit sind, mehr Eigenverantwortung zu tragen. „Man kann nicht immer nur vom Staat fordern und nehmen, sondern muß sein Leben in die eigene Hand nehmen."

Jungen Menschen rät er, sich unbedingt in einer demokratischen Partei zu engagieren. Dabei steht für ihn fest: „Wir müssen insbesondere hinsichtlich der Sozialversicherungssysteme mehr zur Selbstverantwortung kommen. Die Alterspyramide steht auf dem Kopf. Kollektivsysteme haben ausgedient, weil sie nicht mehr finanzierbar sind."