Handwerk Special 59 vom 28.11.1997


Lehrer werden Handwerker

Theorie und Praxis zum Thema: Zukunft der Jugend

"Lehrer haben zwei linke Hände und können nicht arbeiten." Dieses Vorurteil straften die über 60 Teilnehmer an den Workshops bei den 21. Lehrerinformationstagen der HwK Koblenz Lügen. Mit glühenden Wangen, vor Begeisterung die Zeit vergessend, waren die Lehrer aller Schularten bei der praktischen Arbeit. Da wurde gefeilt, gesägt, gehobelt, gebohrt und gestrichen. Die Anstrengung, aber auch die Freude an der nicht alltäglichen Arbeit stand ihnen ins Gesicht geschrieben.

Die Lehrer konnten entsprechend ihrer Neigung ihre Kreativität im Umgang mit Holz, Metall oder Keramik unter Beweis stellen. Nach einer Einführung zur Gestaltung durch die Innenarchitektin Sabine Maier aus Bad Kreuznach wurden sie in ihrem Workshop über die einzelnen Themenbereiche informiert. Begleitet und unterstützt durch Experten aus Handwerk und Design verwirklichten sie zeichnerisch und dann als Objekt ihre Ideen.

Heiß geht’s her, bis ein zeitgenössischer Wetterhahn geboren ist. Wer Metall bearbeiten will, muß auch zum Schweißgerät greifen. Feinarbeit von Lehrerhänden: Sie legen ihre Urlaubserinnerungen ins Mosaik.

Ingrid Bolz unterrichtet an der Realschule Karthause in Koblenz Bildende Kunst. Sie entschied sich für den Workshop Bilderrahmen. "Ich möchte, daß meine Schüler ihre Bilder aus dem Unterricht mit einem poppigen, nicht zu teuren Rahmen versehen. Das Thema hat mich deshalb besonders interessiert, um Anregungen zu erhalten, die ich weitergeben kann. Es gilt, einen individuellen Rahmen passend zum Bild herzustellen. Abstrakt oder naturalistisch, monochrom oder schreiend bunt." Auch Wolfgang Volk von der Hauptschule Rhens ist vom Thema fasziniert, weil es für ihn die ideale Verbindung zwischen seinen Fächern Arbeitslehre und Kunst darstellt.

Magali Hulke, Regionale Schule Niederzissen, hat sich für den Workshop Metall: Der Wetterhahn im 21. Jahrhundert entschieden. "Im letzten Jahr habe ich bei den Lehrerinfotagen mit Holz gearbeitet. In diesem Jahr wollte ich einen Einblick in das metallverarbeitende Gewerbe erhalten. Leider gibt es an den Schulen wenig Gelegenheit, mit diesem Material zu arbeiten. Da besteht auch für uns Lehrer Nachholbedarf". Sie freut sich darauf, den futuristischen Wetterhahn ihren Schülern zu zeigen, bevor er in ihrem Garten seinen Platz einnehmen wird. Ernst-Dieter Jung, Hauptschule Rheinböllen, wählte ebenfalls einen Metall-Workshop. Seinen Utensilienhalter für den Schreibtisch wird er den Schülern präsentieren und mit ihnen weitere Möglichkeiten ausprobieren. "Hier erhalten wir eine Fülle von Ideen, die wir in den Unterricht in den Fächern Arbeitslehre und Bildende Kunst einfließen lassen können."

Hans-Werner Schmidt, Heinrich-Heine-Realschule Neuwied, ist zum dritten Mal dabei. Sein Wissen im Umgang mit Keramik - Workshop: Mit Fliesen gestalten - wendet er mit Schülern in einer Projektwoche an. "Wir gestalten in der Schule ein Wandrelief aus Fliesen und haben im Workshop dafür geübt", begründen Daniela Vincendeau und Peter Rosenberg von der Sonderschule Boppard ihre Teilnahme am Workshop. In einem Mosaik ließen sie Urlaubserinnerungen wach werden.

Die Resonanz bei allen Beteiligten gibt dem Konzept der Pädagogischen Anlaufstelle bei der HwK Koblenz Recht. Die Pädagogen erhalten wertvolle Impulse, die letztendlich helfen, die ihnen anvertrauten Schüler für die handwerkliche Berufswelt zu sensibilisieren.


Stimmen zum Thema: 'Zukunft der Jugend'

Staatssekretär Harald Glahn, Ministerium für Bildung und Wissenschaft, Mainz: Die Internationalisierung macht auch vor dem Handwerk nicht halt. Lehrlinge müssen sich in Zukunft auf intensive Computer- und Sprachausbildung einstellen. Er führte Beispiele für eine sinnvolle Berufsschulreform an. So sei man in einem ersten Schritt dazu übergegangen, den durch "halbe" Berufsschultage entstandenen Leerlauf abzustellen. Auch in der theoretischen Ausbildung gelte der Acht-Stunden-Tag.

Dr. Hermann Schmidt, Generalsekretär des Berliner Bundesinstituts für Berufsbildung bei der Podiumsdiskussion zur Eröffnung der Lehrerinformationstage: Um den Bedürfnissen der Wirtschaft entgegenzukommen, forderte er neben flexibleren Unterrichtszeiten in der Berufsschule auch die Unterteilung in Kern- und Wahlpflichtfächer. Heute werde von einem Gesellen Kenntnisse gefordert, die früher dem Meister vorbehalten blieben, so etwa in den Bereichen Kalkulation und Marketing. Folge: Industrie und Handwerk haben reagiert und sind zur projektbezogenen Ausbildung im Betrieb übergegangen.

Otto Semmler, Präsident des Arbeitsamtes Rheinland-Pfalz /Saarland) machte deutlich, daß die Schaffung von leichteren Abschlüssen für Benachteilgte wenig bringe, weil für derartige Qualifikationen der Arbeitsmarkt fehle. Zudem würden einige Berufe das Image erhalten, nur den Dummen vorbehalten zu sein.