28. November 1997 Handwerk special 59


Schlittenfahrt

Eiskalt gemeistert: Handwerk sorgt für "winterfeste" Mobilität

Karikatur von Lehrling Johannes Zoch,

Winterzeit - schöne Zeit. Seit Jahrmillionen gibt´s die vierte Jahreszeit, doch alljährlich überrascht sie eine Menschengruppe immer wieder eiskalt: Die Autofahrer.

Der "Klassiker" eines Dezembermorgen sieht seit Autogedenken so aus: Nachts Schneefall, eisige Kälte am Morgen - der Winter ist "urplötzlich" da. Der alte Wagen feierte gerade seinen 15. Geburtstag, altersbedingte Schwächen werden längst akzeptiert. Schloß eingefroren - dafür kann ja der Wagen nichts. Feuerzeug. Daß der klirrende Nachtfrost die Batterie lahmgelegt hat und der müde Anlasser den Motor nicht zum Laufen kriegt, ein Erfahrungswert des letzten Winters. Also anschieben und den Wagen im zweiten Gang kommen lassen - doch ohne Reifenprofil drehen die Räder nicht mit, Voraussetzung, daß der Motor "losblubbert". Naja, für das flache Reifenprofil kann ja der Wagen auch nix. Der Nachbar und dessen Überbrückungskabel helfen, die Fahrt kann starten. Doch ohne Sicht? Eiskratzen, außen und innen - der blöde Lüfter liegt schon in der dritten Saison brach. Plötzlich die rote Warnlampe - Kühlwassertemperatur zu hoch. Bei der Kälte? Anhalten, nachschauen. Diagnose: Kühlwasser sehr kühl, eingefroren. Stimmt, irgendwann wollte man mal Frostschutz nachfüllen.

Kfz-Handwerker können von diesen Geschichten ein Lied singen: Wenn der Winter "urplötzlich" zuschlägt, werden ihre Werkstätten zur mobilen Rettungsinsel. Reifenwechsel, Kühlwasserkontrolle... "der Wintercheck umfaßt mindestens 15 Punkte", so Reinhold Scherer, Landesinnungsmeister des Kfz-Handwerks und Obermeister der Innung Mittelrhein. Wenn dann an einem Morgen die Kunden in wahren Hundertschaften zu den Werkstätten "schlittern", bleiben Wartezeiten nicht aus. Ärgerlich für Autofahrer und Handwerker, denn für die Wintertauglichkeit hätte längst gesorgt werden können.

Reifenpoker

Beispiel Reifen: Manch gestandener Autofahrer wartet mit dem Reifenwechsel nach wie vor in dem (Irr)Glauben auf den ersten Frost, die Winterreifen würden sich erst im Schnee richtig wohl fühlen. "Falsch", so Marion Kerkic vom Reifenhersteller Continental, "denn schon ab 10 Grad plus hat er auch bei trockenem Asphalt dank seiner Gummimischung besseren Straßenkontakt als ein Sommerreifen." Der Reifenpoker endet immer noch zu oft mit Blechschäden, deren Reparatur meistens teurer ist als ein Satz Winterreifen. Ein paar Hundert Mark spielen spätestens dann keine Rolle mehr, wenn Menschen zu Schaden kommen.

Sicherheitsargumente nennt auch Reinhold Scherer, geht es um den Wintertauglichkeit auf vier Rädern. Beispiel Beleuchtung: "Manch blindes Scheinwerferglas hat sich erfolgreich durch den Sommer ´gemogelt´, doch bereits im Herbst wird es in den späten Nachmittagstunden gefordert. Bei Regen verursacht dann das Spritzwasser einen wahren Blindflug. Undurchschaubare Frontscheiben werden durch die Wischerblätter im Sekundentakt gereinigt, die matten Scheinwerfer nur alle paar Tage oder Wochen." Sein Tip: Lichttest durchführen, matte Streugläser austauschen und mit jedem Tankstop Front- und Heckbeleuchtung reinigen.

Einfache Mittel helfen

"Es sind oft einfachste Mittel", so auch Helmut Klamp, Obermeister der Kfz-Innung Rhein-Lahn, "die die Sicherheit erheblich erhöhen." Beispiel Stromversorgung: Der erhöhte Energiebedarf durch Licht, Lüftung oder Scheibenwischer verursacht eine erhöhte Belastung der Lichtmaschine. Ein zu lose gespannter Keilriemen ist diesen Anforderungen nicht gewachsen und reißt - "das abrupte Fahrtende und der Alptraum eines jeden Autofahrers, stromlos mitten in der Nacht auf einer einsamen Landstraße zu stranden."

Wie andere Kfz-Betriebe auch bietet die Werkstatt von Helmut Klamp in Hahnstätten einen kompletten Wintercheck. Der umfaßt 18 Punkte - von der Türschloßschmierung bis zur Bremskontrolle - und kostet weniger als 40 Mark.

Seinen Kunden attestiert der Handwerksmeister ein erhöhtes Sicherheitsdenken im winterlichen Straßenverkehr. So steigt die Nachfrage an Standheizungen: Gesteuert durch eine Zeitschaltuhr werden bereits vor Fahrtantritt Innenraum und Motor vorgewärmt. Positive Folgen: Freie Sicht, ein warmes Auto sowie geringerer Motorverschleiß und Kraftstoffverbrauch. Wichtig auch, so Fachmann Klamp, der Ölwechsel vor der frostigen Jahreszeit: Verunreinigungen im Öl verschlechtern die Schmiereigenschaften, Wasser im Ölkreislauf gefriert. Mancher Motor überlebt den Winter so nicht. Durchschnittlich 15 km muß ein Wagen im Winter fahren, bis alle Betriebstemperaturen erreicht sind.

Nicht nur Obermeister Klamp, seit 31 Jahren Kfz-Mechanikermeister, beobachtet seit Jahren einen wiederkehrendes, winterliches Fahrphänomen: Besonders schwierige Straßenverhältnisse haben verhältnismäßig wenig schwere Unfälle zur Folge. "Die meisten Autofahrer fahren vorsichtiger, Unfälle enden meistens mit Blechschäden." Wechselwetter - also heute Tauwetter, morgen Frost - führe eher zu schweren Unfällen, oft mit Personenschäden. Kommen dann technische Mängel und eine den Straßenverhältnissen nicht angepaßte Fahrweise zusammen, sind Unfälle vorprogrammiert. Der Tip vom Obermeister für die sichere Fahrt durch den Winter: Den Wagen rechtzeitig winterfest machen, doch die Fahrweise entscheidet letztendlich, wo´s langgeht.