Handwerk Special 59 vom 28.11.1997


Jugendseite: Familie geht über alles!

Handwerkslehrlinge sprechen über Liebe, Karriere und ihre Weihnachtswünsche

Wie wichtig ist jungen Leuten Geld und Karriere? Welche Rolle spielen bei den 17- bis 20jährigen Beschaulichkeit und ideelle Sehnsüchte? Haben sie Träume und was verbinden sie mit Weihnachten?

Matthias Mathias Büttner, 18 Jahre, Gas- und Wasserinstallateurlehrling aus Spay:
Ich komme aus Neustrelitz und habe meine Lehrstelle in Spay über das Arbeitsamt bekommen. Jetzt wohne ich bei meinem Chef im Haus. Er hat einen gleichaltrigen Sohn und ich habe sozusagen Familienanschluß. Sonst wäre ich sehr allein. Ich war noch nie so lange von zu Hause weg. Meine Mutter hat anfangs oft geweint. Wir haben ein gutes Verhältnis und ich wünsche mir, daß das so bleibt. Ich bin ein harmoniebedürftiger Mensch, Streit würde mich sehr belasten. Weihnachten werde ich natürlich in Neustrelitz sein. Am Heiligen Abend gibt es traditionell Karpfen.

Torsten RetterathTorsten Retterath, 18 Jahre, Kfz-Mechanikerlehrling aus Wiesenscheid/Eifel:
Für mich ist der Job wichtig. Ich will gut verdienen, um meiner Familie später etwas bieten zu können. Deshalb werde ich auch den Meisterbrief erwerben. Wenn es im Beruf funktioniert, klappt es auch in der Familie. Arbeitslosigkeit bringt viel Kummer. Streit in der Familie ist dadurch geradezu vorprogrammiert. Weihnachten? Ich wünsche mir ein Sportlenkrad für meinen alten Opel. Aber eigentlich ist erst richtig Weihnachten, wenn die ganze Familie zusammen in die Kirche geht.

Patrik BahnPatrik Bahn, 22 Jahre, Büroinformationselektronikerlehrling aus Sohren:
Ich träume von einem eigenen Haus. Da ich schon eine Lehre als Bauzeichner abgeschlossen habe, kann ich mir genau vorstellen, wie es aussieht. Es hat ein Schlafzimmer mit einem großen Panoramafenster, da kann ich vor dem Einschlafen die Sterne beobachten. Meine Kinder möchte ich einmal zu anständigen Menschen erziehen: frei, aber geführt. Wichtig ist, daß Eltern immer für ihre Kinder da sind. Der Vater meiner Freundin ist oft von zu Hause weg, er fehlt besonders ihrem 16jährigen Bruder. Zu Weihnachten freue ich mich über Kleinigkeiten. Zusammensitzen mit der Familie bei Kerzenschein. Auch das ist schön.

Frank NeitzertFrank Neitzert, 20 Jahre, Metallbauerlehrling aus Sinzig:
Weihnachten gehört der Familie. Ich bin froh, daß ich eine habe. Sie fängt mich bei Problemen auf. Trotzdem würde ich meinen eigenen Kindern noch mehr Freiheit geben. Meine Mutter wartet abends immer, bis ich zu Hause bin. Das muß nicht sein. Zu Weihnachten werde ich mit meinen Eltern viel reden, auch darüber! Gespräche sind nicht nur zu Weihnachten wichtig. Geschenke weniger, weil sie nur Streß machen.

Mathias EiselMathias Eisel, 17 Jahre, Fliesen-, Platten-, Mosaiklegerlehrling aus Seck/WW:
Ich habe beruflich noch viel vor, möchte Bauingenieur werden. Den Job kann man planen, sonst lasse ich die Dinge auf mich zukommen. Kinder möchte ich aber später auf jeden Fall. Ich glaube, sie geben Halt.

Angela BurkhardAngela Burkhard, 19 Jahre, Maschinenbaumechanikerlehrling aus Steinbach:
Ich glaube an die große Liebe. Ich freue mich darauf, obwohl ich nicht weiß, wie sie sein wird. Mit einer festen Partnerschaft und Kindern lasse ich mir aber noch Zeit. Ich finde, es geht alles viel zu schnell. Es wird spontan geheiratet und ebenso schnell wieder geschieden. Die Partner geben sich oft wenig Mühe miteinander. Ich denke zu einer Familie gehört eine kleine heile Welt. Die möchte ich meinen Kindern später einmal bieten. Ich bin auch so großgeworden. Meine Eltern haben immer Zeit für mich. Das ist das Beste an unserer Familie. Weihnachten ist ein richtiges Familienfest. Viele Kerzen gehören dazu, Gemütlichkeit und Geborgenheit. Ich weiß, daß es nicht allen so gut geht.

Dominic BartzDominic Bartz, 19 Jahre, Zimmererlehrling aus Waldorf
Ich möchte erfolgreich im Beruf sein. Mit einer eigenen Familie lasse ich mir noch viel Zeit. Ich will mir sicher sein, daß da nichts schief geht. Zu Weihnachten wünsche ich mir Geld für neue Kleidung. Ich schenke meinen Eltern auch etwas. Sonst freue ich mich auf ein ge-mütliches Familienfest, mit Truthahnessen und Weihnachtsbaum.

Selbst Mutter von drei Kindern, fragte ich junge Handwerkslehrlinge, welche Werte ihnen wichtig sind. Überraschendes Ergebnis: Die Familie lebt. Schrille Töne, coole Sprüche sind out. Die Jugendlichen zeigen Gefühle, sind emotional. Sie wollen bei Problemen in der Familie aufgefangen werden, suchen Geborgenheit und menschliche Wärme. Große Werte wie Liebe und Treue erleben eine Renaissance. Das stimmt nachdenklich. Je unfreundlicher, ja sogar bedrohlicher jemand seine Umwelt empfindet, desto mehr zieht er sich in die private Welt zurück. Dort sucht und findet er seine Nischen. Es ist schrecklich für Jugendliche, wenn sie diese häusliche Gemütlichkeit nicht finden. Vielleicht, weil die Eltern sich nicht verstehen oder die Kommunikation fehlt. Sind sie deshalb vorsichtiger bei festen Bindungen? Mir ist bewußt geworden, daß meine Familie mich braucht. Ich werde mir wieder etwas mehr Zeit für sie nehmen. Zum Reden und zum Zuhören!
Beate Holewa