Handwerk Special 58 vom 07.11.1997


Heldenhaft!

Westerwälder bringen schwere Jungs hinter Schloß und Riegel

Hier kommt keiner durch! 15 Minuten Zeit haben die "Experten" des Beschußamtes Ulm, ausgerüstet mit Brecheisen sowie "handelsüblichen" Schußwaffen, sich durch die Produkte des Westerwälder Metallbauunternehmens Held zu arbeiten. Umsonst, denn nach Ablauf der Zeit registriert die "Prüfungskommission" nur Lackkratzer und Dellen. Schwere Zeiten für schwere Jungs, denn das Westerwälder Hindernis ist eine Tür, wie sie in Justizvollzugsanstalten eingebaut wird.

Türen und Tore - das ist die Domäne von Wolfgang Held und seinen Mannen aus dem Westerwälder Kirburg. Ob tonnenschweres Panzer- oder leichtes Rolltor, ob Brandschutztür oder meterlanges Faltschiebetor für die Feuerwehrausfahrt, ob auf dem Frankfurter Flughafen, in der Landeszentralbank oder im Lokschuppen der Bahn - für alle und jeden Einsatz bauen die 45 Metallbauer die passende Tür.

Auf der "strafbaren" Seite: Handwerksmeister Wolfgang Held fertigt u.a. Sicherheitstüren für Justizvollzugsanstalten.

"1954 gründete Vater Richard die Firma. Damals wurden Luftpumpen und gummibereifte Wagen für die Landwirtschaft hergestellt", erzählt Wolfgang Held, der zusammen mit Bruder Axel seit 1985 die Zügel des Familienunternehmens in Händen hält, über die Anfangsjahre. 1956 wurde das erste Rolltor installiert, "vor Ort natürlich, denn an ein bundesweites Einsatzgebiet dachte damals noch niemand." Eine Marktlücke wurde gefunden, die Jahre des "Held´schen Wirtschaftswunders" dokumentiert der ständige Anbau an die einstige Werkhalle, die heute im 2000 qm großen Gebäudekomplex fast untergeht. "Wir mußten nicht nur wegen der steigenden Auftragslage erweitern, einige bestellte Tore übertrafen mit ihrer Größe unsere eigenen Hallentore", so Metallbaumeister Held, der auch Obermeister der Metallbauer-Innung Westerwald ist, und blickt auf ein 12 Meter breites und über vier Meter hohes Sicherheitstor für die Landeszentralbank Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen. "Da würde selbst ein LKW mit Anlauf nicht durchkommen!" Andererseits kann das Schiebetor mit einer Hand aufgeschoben werden. Zwei Tage später wird der vier Tonnen schwere Kolloß als Schwertransport auf die Reise gehen und vor Ort vom "mobilen Einsatzkommando" der Firma eingebaut.

Liest man die Referenzliste des Unternehmens, wirkt das Ziel Ludwigshafen eher wie ein "Ausflug um die Ecke". Sowohl im norddeutschen Itzehoe wie auch im bayrischen Ravensburg finden sich Kunden. Handwerksmeister Held sieht den Grund für das bundesweite Aufmarschgebiet seiner Türen und Tore in einer "Handvoll Unternehmen", die in seinem Fachgebiet hierzulande tätig sind. "In dieser Branche wünscht der Kunde maßgeschneiderte Arbeiten in sehr hoher Qualität. Das kann nur ein Handwerksbetrieb bieten." Die Mehrzahl der Abnehmer sind kommunale Einrichtungen, darunter Justizvollzugsanstalten in Preungesheim oder Gera, aber auch die Deutsche Bibliothek in Frankfurt - einem gigantischen Neubau, für den Held fast alle Türen und Edelstahleinrichtungen baut und den er als "sehr guten Kunden" schätzt: "Gute Planung, gute Abwicklung - das lief prima."

Superlative sind den Westerwälder Helden bei der Auftragsabwicklung nicht fremd, eine Sternstunde war die Ausrüstung von drei Großlagern einer Supermarktkette mit insgesamt 200 Hubtoren. Als "ein besonderes Erlebnis" ist Handwerker Held die Sicherheitsverwahrung von mobilen Raketenabschußrampen der Bundeswehr in Erinnerung geblieben. "An dieses Objekt durfte wirklich niemand ran - teuer und gefährlich." Den maßgeschneiderten Käfig ließ sich die Bundeswehr etwas kosten, "doch so gut läuft es heute nicht mehr, wenn wir auch den Umsatz in den vergangenen fünf Jahren von 6,3 Mill. auf 8,6 Mill. Mark steigern konnten." In hohen Betriebs- und Nebenkosten sieht der Westerwälder die Ursache darin, daß trotz der Millionenumsätze der Wandelgang zwischen roten und schwarzen Zahlen heute zu oft auf der Tagesordnung steht.

An gewissen "betriebsinternen" Prinzipien will der Unternehmer trotzdem festhalten - dazu gehört die Ausbildung junger Menschen, denen Held nach der Ausbildung einen Arbeitsplatz garantiert. Sieben Jugendlichen bietet das Kirburger Unternehmen so eine Zukunft im vielseitigen Beruf "Metallbauer", der Dreher, Fräser, Schweißer oder Feinmechaniker vereint. In der Nachwuchsarbeit sieht der Handwerksmeister die Zukunft seines Unternehmens. Zukunft heißt auch neue Fachgebiete suchen. Die sieht Held in der Komplettanfertigung und Lieferung von Sicherheitssystemen wie auch Umwelttechnologien. Zukunft und Umwelt, das beginnt in Kirburg vor dem eigenen Hallentor: Die Westerwälder waren der erste Betrieb in Rheinland-Pfalz, der seinen Strombedarf mit der eigenen Windkraftanlage deckt. Zukunft beginnt auch in der Vergangenheit: Jenes erste Rolltor, 1956 im Ort installiert, zeigt auch nach 41 Jahren keinerlei Schwächen.

Siehe auch:Gezähmter Stahl