Handwerk Special 57 vom 11.09.1997


Let's make music as friends

Justus Frantz: Überzeugungstäter im klassischen Musikgeschehen

Schon immer gilt Musik als Kunst, die sich an die Seele eines Menschen wendet. Musik setzt ein, wo Worte nicht mehr ausreichen. Musik ist die alles verbindende Sprache. Dafür wirbt der Künstler Justus Frantz durch seine Arbeit. Jüngstes Beispiel ist die von ihm 1995 gegründete "Philharmonie der Nationen".

"Es sind junge Menschen, die den Wert der Arbeit erkannt haben und sich perfektionieren wollen, die Sinn in ihrem Leben sehen und zeigen, daß eine aggressive Welt nicht von Gott gegeben ist. Sie lehren uns, daß es möglich ist Frieden zu halten und Harmonie zu schaffen", charakterisiert der Pianist und Dirigent Justus Frantz die 80 jungen Musikerinnen und Musiker. "Let’s make music as friends" -das Leitmotiv- beflügelt die jungen Leute. Kreativität und Begeisterungsfähigkeit prägen die Atmosphäre unter den Musikanten aus 30 Ländern und fünf Kontinenten. Ein Syrier musiziert neben einem Israeli, ein Kroate sitzt am selben Notenpult wie ein Serbe. "Für junge Musiker ist der Schritt ins Rampenlicht ein Prüfstein und Standortbestimmung zugleich" so Frantz. Deshalb empfinde er es als "besondere Herzensangelegenheit, die Begabten unter ihnen zu unterstützen. Er werde nie vergessen, daß sein Freund Herbert von Karajan ihm geholfen habe, "den Ernst des Musikerlebens zwischen allerhöchster Professionalität und ermutigender Motivation" kennenzulernen.

Justus Frantz und Klavier- und Cembalobaumeister Dieter Herold

Handwerk SPECIAL trifft Justus Frantz zwischen zwei Gastspielen. Unser Gespräch findet kurz vor der Probe mit seinem multinationalen Orchester statt. Obwohl fünf Stunden Autobahnfahrt hinter ihm liegen, wirkt der 53jährige erstaunlich agil, überschäumend temperamentvoll. Er wirft den Mantel über die Reisetasche und setzt sich an den Steinway-Flügel. Der Klavier- und Cembalobaumeister Dieter Herold aus Melsbach hat das 70 Jahre alte Instrument perfekt vorbereitet. 16 Stunden hat er an dem Flügel gearbeitet, um ihn für das Konzert und für den Pianisten Justus Frantz zu stimmen "Herr Herold ist ein Künstler. Er besitzt das absolute Gehör, kann ohne Vergleichston die Grundtonhöhe der Konzertstimmung festlegen. Aus dem Schlaginstrument wurde ein Gesangsinstrument", so das Lob des Maestros.

Musik vermittelt Werte

Klassische Musik einem breiten Publikum auf unkonventionelle Art nahe zu bringen, ist eines seiner großen Anliegen. "Ich bin der Meinung, daß dem unglaublich großen Angebot von materiellen Werten ein sich verkleinerndes, auszehrendes Angebot an immateriellen Werten gegenübersteht. Eine Gesellschaft ist aber nur dann gesund, wenn sie in der Balance zwischen beiden lebt", begründet Frantz sein Engagement. "Europa muß sich auch geistig einigen, um die Zukunft zu meistern. Wenn wir aber keine immateriellen Werte einbringen und uns nur als Mitbewerber in einem immer kälter werdenden Wirtschaftswettbewerb behaupten, fliegt uns der Laden um die Ohren. Wir müssen uns auf Werte besinnen, die uns seelisch erstarken lassen, wenn es uns materiell schlechter geht. Eine Gesellschaft, die nur die materiellen Werte anerkennt, erzieht die einzelnen Glieder zu Egoisten. Sie wird ihrer Verantwortung, für alle zu handeln, nicht mehr gerecht", fügt er hinzu.

Fühlt sich Justus Frantz eher als Pianist, Dirigent oder Musikmanager? "Manager bin ich gar nicht. Ich kann Menschen begeistern aber nicht managen", wehrt er ab. Sonst fühle er sich wie ein "Maler, der auch zeichnet und Kupferstiche macht." Er räumt ein, daß Dirigieren durch die Doppelfunktion für ihn einen "besonderen Reiz hat." "Ich halte nicht nur Zwiesprache mit dem Publikum, sondern muß auch die Musiker auf der Bühne emotional bewegen." Was motiviert den Tausendsassa im klassischen Musikgeschehen? "Daß ich Menschen die Schönheit der Musik, aufzeigen kann. Sie entspricht dem facettenreichen und differenzierten Wesen unserer Seele", so die spontane Antwort. "Musik geht unter die Haut. Sie erreicht die Herzen der Menschen. Man spürt sie. Musiker, die keine Emotionen wecken, haben ihren Auftrag verfehlt", fügt er hinzu.

Justus Frantz gastiert auf der ganzen Welt. Wo fühlt er sich eigentlich zu Hause? "Ich bin ein musikalischer Zigeuner. Wo ein Klavier steht, ein Saal, ein Orchester ist, bin ich daheim." Erst bei Nachfragen bekennt er, daß er sich "auch immer wieder auf seinen Bauernhof auf Gran Canaria freut, wo er sich nach Konzertreisen durch die Welt zurückzieht.

Der Beruf des Klavier- und Cembalobauers

Das Bauen, Restaurieren und Reparieren von Klavieren, Flügeln, Cembali und Spinette gehört zu den Aufgaben des Klavier- und Cembalobauers. Zur Herstellung von Resonanzböden und Gehäuse der Instrumente müssen sie über Fertigkeiten in der Holzbearbeitung verfügen. Dann werden Wirbel angesetzt und Saiten aufgezogen.

Eine der größten Herausforderungen stellt die perfekte Stimmung des Instruments dar. Dies ist nicht allein mit theoretischen Kenntnissen der Akustik, Harmonielehre und praktischer Erfahrung im Klavierspiel lösbar. Die Stimmgabel ist das einzige Hilfsmittel, es kommt auf ein außergewöhnlich sensibles musikalisches Gehör an. Ein Meisterinstrument wird auf die Persönlichkeit zugeschnitten, es ist individualitätsabhängig und deshalb von Hand gefertigt.

Die Lehrzeit dauert 3 1/2 Jahre.