Handwerk Special 57 vom 11.09.1997


Ein Hauch von Sinnlichkeit

Bauen hinter denkmalgeschützten Mauern

Beim architektonischen Gestalten geht es darum, Räume zu schaffen, die nicht nur zweckdienlich sind, sondern auch die Gefühle ansprechen. Architektur ist nicht nüchtern, sondern hat einen Hauch von Sinnlichkeit - so die Meinung von Klaus Gesell, Architekt und Bauherr. Er realisierte im ehemaligen Obstgarten der Burg Namedy zwei ungewöhnliche Wohnhäuser in Holzrahmenbauweise.

Andernach-Namedy

"Den Traum vom individuellen Eigenheim hatten wir schon lange. Deshalb waren wir für Grundstücksverkäufe besonders sensibilisiert", erinnert sich Klaus Gesell. "Als das Gerücht aufkam, Prinz Godehard von Hohenzollern wolle einen Teil seines Obst- und Gemüsegartens verkaufen, haben wir sofort zugegriffen", fügt er hinzu.

Eine bescheidene Architektursprache zu finden, im Einklang mit der Landschaft, im gezielten und zurückhaltenden Umgang mit dem übrigen Ensemble der Burg, das stellte für den Andernacher Architekten eine Herausforderung dar. "Ich wollte Holz, Glas und Stein zu einem harmonischen Ganzen verbinden", so Gesell. Die Erfüllung seiner Sehnsucht nach Harmonie im Bauen "Einfachheit der Form", darauf legt er besonderen Wert. Ein Fachwerkhaus oder einen verschnörkelten Bau mit Krüppelwalmdach und Erker wertet er als Imitation, die "nicht in die Landschaft passen." Das Landesamt für Denkmalpflege gibt dem Entwurf des Architekten uneingeschränkt grünes Licht.

Sonnen-gerichtet

Herausgekommen sind zwei lange schmale Häuser mit denkbar einfach knappem Umriß. Ein schlichter, in vielen Aspekten aber sehr raffinierter Bau. Geplanter und festgelegter Effekt: Der Niedrig-Energiehaus-Standard wird deutlich unterschritten. Die Gebäude sind konsequent nach der Sonne ausgerichtet. Die Nordfassade ist überwiegend geschlossen. Die Südfassade ist großzügig verglast und ermöglicht solare Energiegewinne. So erscheint der jeweilige Wohn- und Eßraum des Doppelhauses wie ein Juwel unterm Pultdach, lichtdurchflutet. Seine Holzfenster stechen als Bilderrahmen gegen die Idylle ab. Schreinermeister Alois Glabach aus Saffig hat in Zusammenarbeit mit dem Architekten für die vier Meter hohen Fenstertüren eine besonders formschöne, filigrane Rahmenkonstruktion ausgetüftelt. "Das besondere Problem bestand darin, die statischen Anforderungen zu erfüllen", erklärt er. "Daß die Wahl auf Holz fiel, stand von Anfang an fest. Holzfenster wirken selbst im lackierten Zustand viel natürlicher", fügt er hinzu.

Wohin man schaut, ist Licht. Die Sonne verzaubert immer wieder die Atmosphäre. Keine Kinkerlitzchen stören das Raumerlebnis. Selbst die 1,80 m hohen Heizkörper strahlen Harmonie aus. Um eine optimale Temperierung im Haus zu erreichen hat das Unternehmen Josef Görgen, Heizung-Sanitär aus Andernach, zunächst eine Wärmebedarfsermittlung durchgeführt. Danach werden die Heizkörper und ihr Montageort, in Absprache mit dem Architekten und dem Bauherrn, unter Berücksichtigung des Wärmebedarfs den einzelnen Räumen zugeordnet. Geheizt wird mit moderner Gas-Brennwerttechnik. Der Warmwasserspeicher wurde im Giebelbereich montiert, um bei späterer Nutzung von Sonnenenergie zur Warmwasserbereitung , als Nachtheizspeicher zu dienen. Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und Luft-Ansaugung über einen Erdkanal ist noch in Arbeit und rundet das Energiekonzept ab. "Das ist eine interessante Möglichkeit im Winter "vorgewärmte" und im Sommer "vorgekühlte" Luft ins Gebäude zu leiten"; erläutert der Bauherr.

Alles Holz

Die tragende Struktur der Häuser und die Fußböden sind ebenfalls aus Holz. Für die Verkleidung der Außenfassade verwendete Schreinermeister Reiner Ax aus Mendig harzreiches Douglasienadelholz. "Ein sehr wetterbeständiges Holz", erklärt der Meister. "Für Außenwandverkleidungen sind sägerauhe Bretter geeigneter als gehobelte. Sie sind gegenüber Witterungseinflüssen anspruchslos.

Zur Wärmedämmung wurden nachwachsende Materialien eingesetzt. So ist die Dachfläche mit Zellulosefasern aus Altpapierrecycling gedämmt. In Wänden und Böden wurde Holzfaserdämmstoff eingesetzt. Bisher nur am Modell, ist der Eingangshof zu sehen, der ganz in die Architektur mit Gemüt paßt.

Auch wenn ein Namedyer Bürger in einem Brief von "Zigarrenkistenbaustil mit Streichholzverbindungen und Papiereinlagen" spricht, sind die Eigentümer sehr zufrieden. Auch Wohnen ist Geschmackssache...